Nils Wrage

Foto: Markus Edgar Ruf

„Gute Aperitivi und »ernsthafte« Spirituosen schließen sich überhaupt nicht aus“

Nils Wrage, Chefredakteur des Bartender-Magazins Mixology ist Gastgeber der „Aperitivo-Bar by Mixology“ auf dem Finest Spirits Festival München 2022 und erklärt, was für einen guten Aperitivo notwendig – oder vielleicht eben auch nicht notwendig – ist….

Herr Wrage, mal ganz ketzerisch, Aperitivo klingt erstmal nach schnödem Aperol Sprizz und Hugo – was hat das denn mit einer ernstzunehmenden Spirituose zu tun?

„Ich denke, dass man relativieren muss. Zunächst einmal ist ja ein Aperol Spritz oder ein vergleichbarer Drink überhaupt nicht schnöde, nur weil er nicht aufwendig ist. Wenn man sie sorgfältig und mit hochwertigen Zutaten anbietet, sind solche Aperitivi ganz wunderbar: Ein schönes Glas, gutes Eis, ein guter Schaumwein zum Auffüllen – herrlich! Insofern schließen sich Aperitivi und »ernsthafte« Spirituosen überhaupt nicht aus. Ich kann ja einen spritzigen, anregenden Drink für den frühen Abend auch auf einem guten Gin, einem komplexen Kräuterlikör oder einem leichten Rum aufbauen. Generell sollte man mit dem Begriff Ernsthaftigkeit ein wenig vorsichtig sein: In einer guten Bar darf man immer und bei jedem Drink voraussetzen, dass er mit einer gewissen Ernsthaftigkeit zubereitet worden ist. Und genauso bedeutet die Tatsache, dass man an einem simplen Cocktail viel Freude hat, ja nichts Schlimmes“

Was dürfen die Besucher denn am Herzstück der Messe, der Aperitivo-Bar by Mixology, erwarten?

„Die Bar möchte ganz schlicht zeigen, welche unterschiedlichen kreativen Möglichkeiten der große Bereich »Aperitivo« so bietet. Im Fokus stehen dabei einige ausgewählte Produkte von Ausstellern der Messe, auch Neuheiten sind dabei. Damit dem Publikum wirklich erstklassige Drinks angeboten werden, haben wir für die Bar als Team mehrere der talentiertesten jungen Bartenderinnen aus München gewinnen können. Sie werden nicht nur an den Messetagen hinter dem Tresen stehen, sondern auch die Cocktails entwickeln. Sämtliche Drinks an der Bar werden übrigens zu einem überaus kleinen Preis serviert, die Erlöse kommen einem wohltätigen Zweck zugute“

Aperitivo verbindet man immer mit südlichen Ländern oder zumindest Sommer – kann das auch ein Winterthema sein?

„Es ist richtig, dass die Aperitivo-Tradition ihren Ursprung eher im warmen Südeuropa hat. Italien, Südfrankreich, Spanien – dort ist ein kleines, entspanntes Gläschen vor dem Abendessen auf der Terrasse wesentlich selbstverständlicher als in Deutschland. Aber auch die Schweiz hat schon lange eine ausgeprägte Apéro-Kultur, und man stellt definitiv fest, dass diese Art, den schönen Teil des Tages einzuläuten, auch immer mehr im nördlichen Teil des deutschsprachigen Raums Fuß fassen kann. Wichtig am Aperitivo ist vor allem: Er soll leicht und anregend sein, aber nicht alkoholschwer. Ein Martini Cocktail etwa, wie er z.B. in den USA gern als »Before Dinner Drink« genommen wird, ist eigentlich viel zu stark. Ein klassischer Aperitif sollte nicht allzu alkoholisch sein, was ja auch dem aktuellen und definitiv langfristigen Trend zu einem bewussteren, maßvollen Alkoholkonsum entspricht. Und ganz traditionell gehört auch immer ein kleiner Happen dazu – ein paar Oliven, Grissini oder ähnliches.

Natürlich ist ein guter Aperitif auch im Winter passend. Selbstverständlich haben dann die Terrassen dicht, und auch auf dem Weihnachtsmarkt wird niemand Aperol Spritz trinken. Aber es spricht ja überhaupt nichts dagegen, auch im Dezember oder Januar einen Negroni, Fino Sherry oder Americano vor dem Essen zu nehmen, wenn man in einer Bar, einem Restaurant oder zuhause mit guten Freunden zusammen ist.“

Weitere Informationen:

https://mixology.eu/cocktails/